Familie Seiler
Das neuzeitliche Brig ist stark von der Familie Seiler geprägt: Alexander Seiler der Ältere (geb. 1819), ein Bauernsohn aus Blitzingen, erkannte die Zeichen der Zeit und baute von Brig aus die nach ihm benannte Hotelkette mit Betrieben in Zermatt, Riederalp und Gletsch auf. Brig bot ihm und seinen Nachkommen gleichzeitig eine politische Basis: Seine Söhne Joseph und Hermann amteten als Briger Stadtpräsidenten; der letztere wie auch sein Bruder Alexander Seiler der Jüngere vertraten den Kanton Wallis im Nationalrat. Als «Head Quarter» diente das heutige Restaurant Angleterre, wo die Familie den Winter verbrachte, die Vorbereitungen für die nächste Sommersaison traf und das dafür benötigte Personal rekrutierte. Bis in die 1970er-Jahre stand das Haus in der Briger Burgschaft im Besitz der Familie; ein angrenzender, 2012 eingeweihter Platz erinnert heute noch an die Hotelier- und Politikerfamilie.
Die Seiler-Dynastie widerspiegelt die touristische Entwicklung des Oberwallis, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzte. Dampfschiffe und Eisenbahnen ermöglichten das Reisen auch aus fernen Ländern bis in die Schweizer Alpen, die wie ein Magnet auf die Städte Europas, insbesondere Englands, wirkten. Es gehörte zum guten Ton der Oberschicht, ihre Sommerferien hier zu verbringen. Die hohe Kaufkraft des britischen Pfunds ermöglichte es ihnen, den gewohnten Luxus auch in den Seiler-Betrieben zu geniessen. Die einheimische Bevölkerung von Zermatt begegnete der Familie Seiler argwöhnisch. So verweigerte die Burgergemeinde Zermatt Dr. Alexander Seiler dem Jüngeren das Durchfahrtsrecht zu seinem Betrieb auf der Riffelalp, worauf dieser kurzerhand bei der Eidgenossenschaft eine Eisenbahnkonzession einholte und damit – gestützt auf nationales Recht – zwischen der Station der Gornergratbahn und seinem Hotel das höchstgelegene Tram Europas betreiben konnte. Alexander Seiler der Ältere setzte sich durch, als er gegen den Willen der Zermatter durch Entscheid des Bundesgerichts deren Burgerrecht erwarb. Alexander Seiler der Jüngere stand als Nationalrat an vorderster Front für die Lötschberglinie ein, was ihm erhebliche Kritik des offiziellen Wallis einbrachte, welches die Variante unterhalb des Wildstrubels favorisierte. Der verkehrspolitische Machtkampf endete mit dem Sieg des Lötschbergs und 1903 mit der Gründung der ältesten Fastnachtsgesellschaft des Wallis, dem Türkenbund, dessen erster Grossvezier Dr. Alexander Seiler war. Sieben Jahre später (1910) zeichnete er als OK-Präsident beim Alpenflug von Geo Chavez verantwortlich und konnte dabei auf die Unterstützung seines Bruders Dr. Hermann Seiler zählen, der zeitgleich Stadtpräsident von Brig war. Dieser hatte zwei Jahre zuvor (1908) in Brig erfolgreich das erste Spital im Oberwallis realisiert.